Athen, 5. Jahrhundert v. Chr.
Aspasia. Was für eine Frau kann das bloß sein?
Die besten Männer des großen Athen sitzen zu ihren Füßen. Der Philosoph Sokrates verrät seinen Schülern, dass er von ihr die Kunst der Beredsamkeit gelernt habe.
Perikles verfällt ihr mit Haut und Haaren – Perikles, der weise Staatsmann, der in diesem fünften vorchristlichen Jahrhundert seine Stadt gerade auf den Höhepunkt der abendländischen Kultur führt und Maßstäbe setzen lässt, die zweieinhalb Jahrtausende später für die ganze Welt gelten sollen. Denn im Athen des Perikles und der Aspasia befruchten einander Politik, Staatsbürgersinn, Kunst, Wirtschaft, Philosophie, Literatur und Wissenschaft wie niemals zuvor und niemals mehr danach in einem Staat.
Aspasias Mädchenschule für Philosophie und Rhetorik ist der Ort, wo Perikles und Sokrates miteinander reden können, wo die Denker Anaxagoras und Protagoras mit dem Bildhauer Phidias und den Dichtern Sophokles und Euripides zusammenkommen und der junge Sokrates-Zögling und künftige Feldherr Alkibiades die Ohren spitzt, wenn der Historiker Herodot von seinen Reisen berichtet. Alle diese Stammväter der abendländischen Zivilisation leben zur selben Zeit in der selben Stadt und suchen einander, um miteinander reden zu können. Wie die Weisen und die Künstler einander suchen, um sich gegenseitig die Augen zu öffnen.
Ein solches Treffen zu philosophischen Streitgesprächen, Wein und Gesang nennen die Griechen ‚Symposion’, und ein Symposion endet nicht selten mit Gruppensex. Bei Aspasia wird das zumindest vor ihrer endgültigen Bindung an Perikles nicht anders sein, denn Aspasia ist eine professionelle Hure.
Vor allem stammt sie aus Milet, jener Stadt an der kleinasiatischen Küste, in der persischer Glanz das noch frugale griechische Leben zuckert.
Milet pflegt eine Tradition des Denkens und Tuns, die sich nicht durch Traditionen fesseln lässt. Keine andere Stadt der griechischen Welt bricht mit der Konvention so bereitwillig wie diese. Milet versorgt die hellenische Welt nicht nur mit den reichen Früchten des Mäandertales und den Waren von den Karawanenwegen Anatoliens, sondern auch mit Männern wie Thales, Anaximander und Anaximenes – den ersten großen Philosophen der Geistesgeschichte. Milet hat aber auch den Dildo erfunden und stellt diesen als Massenprodukt für den Export sowohl in die persischen Länder wie in die griechischen Städte her. Der Dildo ist ein aus weichem Leder geformter Kunst-Penis, der gewisse Defizite ausgleichen soll. Vor allem aber versorgt Milet die Griechen mit fein- und freisinnigen Hetären vom Typ Aspasia, den ersten Emanzen der abendländischen Geschichte.
Das Christentum gibt es noch nicht, und Sex ist für die Griechen keine Sünde. Er ist nicht einmal mit seelischen Beiwerk belastet. Sex ist im fünften vorchristlichen Jahrhundert ein Genuß wie Essen und Trinken, flüchtig und kurz, aber zutiefst befriedigend. Ein folgenloses Vergnügen, das Athens Elite nach den vielleicht hochklassigst besetzten Diskussionsabenden in der Geschichte des Abendlandes auf die gleiche Weise schamlos und unschuldig genießt wie man später einmal einen kleinen Snack nach einer anstrengenden Konferenz genießen wird.
Die freie Sexualität ist allerdings nur für Griechen üblich, nicht für Griechinnen. Was den gebildeten Hetären (‚Gefährtinnen’) wie Aspasia und den Auletrides (‚Flötenspielerinnen’) genannten kunstsinnigen Partyhuren, den Tempelhuren (für die Fremden) und den Billighuren (‚Pornai’) erlaubt ist, gilt in Hellas in keiner Weise für die bürgerliche Frau. Die verbringt ihre Jahre abgeschottet von der Öffentlichkeit und führt das an Sinnenfreuden und geistigen Anregungen arme Leben eines Hausmöbels.
Die einzige Entwicklungsmöglichkeit, die ihr gegeben ist, sind die Metamorphosen von der einsamen Haussklavin über die nörgelnde Hausfrau zum keifenden Hausdrachen. Sie ist die Tyrannin innerhalb der gemeinsamen vier Wände; aber ihr Mann verbringt seine Tage lieber draußen in der Öffentlichkeit. Dort führt er ein Leben, das mit dem ihren nichts zu tun hat.
Mit dieser Trennung der Bereiche in eine männliche und eine weibliche Welt nach altorientalischem Muster legen die Griechen, die doch ansonsten so viele Grundmuster des ihnen geografisch nahen Ostens völlig neu überdenken und dadurch den individualistisch ausgerichteten europäischen Lebensstil entwickeln, die Basis für den Ehekrieg, den der abendländische Kulturkreis auch 2500 Jahre später noch immer nicht befriedet hat.
Die Trennung der Lebensbereiche in der Urzelle der westlichen Zivilisation setzt sich bis heute fort. „Frauen sind eine andere Nation“, wird noch im 20. Jahrhundert ein beliebter Seufzer an den Stammtischen sein. Oder: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen, bis auf eine einzige Stelle.“
Wie im fünften vorchristlichen Jahrhundert wird noch im Zeitalter der Raumfahrt insbesondere in den Ländern des Mittelmeerraumes und deren kulturellen Ablegern in Lateinamerika eine Einteilung der Weiblichkeit in ehrbare Frauen für das eigene Haus und aufregende Frauen für das Vergnügen gelten. In Macho-Land Mexiko werden Männer nicht mit ihren Frauen auf Gesellschaften gehen, sondern mit ihren Geliebten und dort Sprüche von sich geben wie: „Seine Ehefrau soll ein Mann behandeln wie sein Gewehr: Laden und hinter die Tür stellen“.
Diesen Satz würden auch die alten Griechen unterschreiben, wüssten sie nur schon, was ein Gewehr ist.
Die Athenerin des Goldenen Zeitalters wird in der Regel im Alter von 15 Jahren verheiratet. Der Ehemann und künftige Versorger ist von den Eltern oder von einem berufsmäßigen Eheanbahner vermittelt worden. Er ist in den meisten Fällen schon gut 30 Jahre alt und heiratet nicht aus Lust und Liebe, sondern weil er gerade eine Mitgift brauchen könnte und eine Frau zum Gebären des Nachwuchses benötigt, welcher später einmal seine Geschäfte weiterbetreiben soll.
Bei Männer-Defiziten nach verlustreichen Kriegen werden, Ehrensache für einen pflichtbewussten Staatsbürger, Nebenfrauen samt Habe dazugeheiratet.
Ehepartner haben einander wenig zu sagen im alten Griechenland, schon weil sie nicht derselben Generation angehören. Außerdem bringt man einer jungen Griechin im Goldenen Zeitalter Athens nicht einmal das Lesen und Schreiben bei, während der junge Athener bereits eine erstklassige Erziehung in Sachen allgemeiner Bildung, Sport, Kriegswesen und Manieren genossen hat. Er ist den Umgang mit vielen Menschen gewohnt, sie kannte bisher nur die Mitbewohner ihres Vaterhauses.
Der Historiker Plutarch wird noch ein halbes Jahrtausend später nach dem Goldenen Zeitalter von einem Herrscher namens Hiero berichten, der von einem Gegner wegen seines Mundgeruchs verspottet worden war. Daraufhin sei Hiero nach Hause gelaufen und wollte von seiner Frau wissen, warum sie ihn niemals auf dieses Übel aufmerksam gemacht habe. Die Frau antwortete: „Ich dachte, alle Männer riechen so“.
Die Braut im klassischen Altertum kennt sich nicht nur nicht aus mit den Gerüchen, sondern auch nicht mit dem Wesen der Männer. Wie sollte sie auch? Ihr Vater lebte immer in der Öffentlichkeit, bei seinen Geschäften, im Kreis seiner Freunde und in seinem politischen Zirkel und kam immer nur zum Schlafen heim. Und ihre Brüder wurden schon mit sechs Jahren aus dem Frauenbereich des Hauses entfernt und in der Abgeschlossenheit des Gymnasion und der Ephebenkaserne erzogen.
So hat auch der Bräutigam in den ersten Jahren seiner sexuellen Begierden so gut wie nie Frauen gesehen, auf die sich seine erwachte Lust hätte richten können. Dies erklärt vielleicht die auffällig häufige und ungeniert bekannte Neigung vieler Hellenen zur Homosexualität.
Allerdings hat auch die gleichgeschlechtliche Liebe strenge Regeln. Es ist immer der Ältere, der um die Gunst des Jungen wirbt, und es ist immer der Jüngere, der die passive Rolle des sich Hingebenden spielt, die im Macho-Griechenland als die Pose des Geschändetwerdens gilt. Triumphbilder nach dem Sieg in Marathon zeigen gebeugte persische Soldaten, die sich von herrischen griechischen Bezwingern penetrieren lassen müssen.
In der griechischen Homosexuellen-Beziehung spielt der junge Partner die als demütig geltende passive Rolle, weil er sich in seinem älteren Liebhaber einen aktiven Förderer und Erzieher und lebenslangen Freund in allen Lebenslagen erschmeicheln will und weil vornehme oder viele Liebhaber das Ansehen des Athener Yuppie unter seinen Altersgenossen fördern. Denn der griechische Mann ist schon als Jüngling in seiner Eitelkeit kaum zu überbieten.
Auch die Regierungen der sich so regelmäßig bekriegenden griechischen Staaten, insbesondere Sparta, haben nichts gegen die bevölkerungspolitisch unnütze Päderasten-Liebe. Im Gegenteil, denn sie stärkt die Wehrkraft. Platon, ein Schüler von Sokrates, philosophiert: „Eine Handvoll Liebender und Geliebter, die Schulter an Schulter kämpfen, könnte eine ganze Armee in die Flucht schlagen. Denn für einen Liebenden wäre es unerträglich, von seinem Geliebten dabei gesehen zu werden, wie er die Waffen wegwirft.“
Für die hohe Kampfkraft homosexueller Einheiten gibt es Belege. Der letzte griechische Widerstand in der Schlacht von Chaironeia gegen die vereinten Heere des makedonischen Königs Philipp II. und seines Sohnes, des künftigen Alexanders des Großen, wird von dem berühmten Bataillon von Theben geleistet, das ganz aus Schwulen-Paaren zusammengesetzt sein wird. Alle 300 Kämpfer dieses Verbandes werden fallen, nicht einer wird überleben. Alexander wird diese Idee aufnehmen und sich mit homosexuellen Kameraden-Paaren an der Spitze bis nach Indien durchschlagen.
Mit ganz anderen Problemen schlagen sich die griechischen Heterosexuellen in der Ehe herum. Die Ehefrau darf das Haus ihres Ehemannes nur gelegentlich verlassen, wenn sie eine Freundin oder Verwandte besucht. Aber dann nur in Begleitung eines Aufpassers. Die Griechen haben dieses System von ihren Handelspartnern im Orient abgeschaut und finden es bequem so. Denn Männer, die auf Schiffen die Meere bereisen, schlafen besser, wenn sie wissen, dass sich die Frauen nicht herumtreiben und deshalb nicht von fremden Männern geschwängert werden können. Der Nachteil dieses Systems ist freilich, dass eine eingesperrte Frau auf die Dauer leider ein wenig arg langweilig und übellaunig wird.
Die sexuellen Freuden einer griechischen Ehe müssen karg sein. Denn zum einen hat die junge Frau keine Erfahrung im Umgang mit Männern, ist in der Regel nicht einmal aufgeklärt worden. Sie hat wenig zu bieten, was seine Lust anstacheln könnte, wenn ihre jugendfrischen Reize nicht mehr wirken. Er dagegen hat seine Freunde und sucht, wenn er der Päderasterei überdrüssig ist, sein Vergnügen lieber bei professionellen Huren. Denn die wissen, was einen eitlen Mann in Exstase bringt. Auch die billigsten wissen es. Auf attischen Vasen und Tellern mit erotischen Szenen bietet sich das Party-Girl ihrem Partner fast immer rückseitig an.
Die Pose der Selbstauslieferung und Unterwerfung des knieenden Weibes an die Aggressivität des sie von hinten penetrierenden Manne elektrisiert eine aus der Evolution stammende uralte sadomasochistische Wurzel im Geschlechtsakt, die um so heftiger genossen werden kann, je unverbindlicher die Beziehung der beiden Sexualpartner ist. Dagegen wird eine Frau, die mit einem Mann eine Gemeinschaft unterhält und deshalb eine gleichgewichtige Lebenspartnerschaft anstrebt, diese Praktiken mit der Zeit meiden.
Die Anatomie zwingt sie zwar auch bei Vis-a-Vis-Sexualstellungen in die Rolle des Partners, der sich penetrieren lassen muß, und macht den Partner zu dem Partner, der penetrieren darf. Wenn sie es aber mit ihm Auge in Auge, Vorderseite an Vorderseite, tut, kann sie verhindern, dass aus dem Liebesakt ein Täter-Opfer-Rollenspiel für andere Lebensbereiche in dieser Beziehung abgeleitet wird.
Im Liebesspiel zwischen der Hure und dem Kunden aber spielt das keine Rolle. Sie kann ihm alle tierischen Freuden der Urzeit bescheren, ohne sich dabei etwas zu vergeben. Denn schon am nächsten Tag wird sie ihren Hintern einem anderen entgegenstrecken – und kein Freier wird sich einbilden können, er sei der Meister in dieser Beziehung.
Wir können uns gut vorstellen, dass wegen der ungleichen Rechte zwischen Ehemann und Ehefrau und wegen der ungleichen Verteilung der erotischen Fähigkeiten und Möglichkeiten zwischen einer attischen Ehefrau und einer attischen Hure die Ehefrau schon sehr bald nach der Heirat vernachlässigt wird. Wir können uns denken, dass im Laufe einer griechischen Ehe die Ehefrau zu einer misslaunigen Furie wird. Sokrates’ Gattin Xanthippe gibt diesem Frauen-Typus die für immer gültige Bezeichnung.
Wir können uns aber auch vorstellen, wie der gebildete, für weltmännisches Auftreten in der Öffentlichkeit erzogene attische Ehemann in dieser Ehe mit seinem langweiligen und grantigen Dummchen zu einem immer arroganter werdenden Kotzbrocken wird – bis er eines Tages auf eine ganz andere Art von Frau trifft: die hochgebildete, unabhängige und lebenskundige Hetäre. Dann aber ist es um ihn geschehen.
Erst beschwingt die Hetäre seinen Geist durch blitzgescheite Gedanken, dann bietet sie sich ihm mit ihrer Kehrseite an. Das ist mehr als ein griechischer Mann verarbeiten kann.
Athens Nobel-Prostituierte können für ihre geistigen, seelischen und körperlichen Dienste horrende Preise verlangen, und dennoch gebärden sich die bedeutendsten Griechen des Goldenen Zeitalters als winselnde Männlein. Die Hetären erniedrigen die klingendsten Namen der abendländischen Kulturgeschichte zu lächerlichen Tölpeln. Athens große Männer sind vollkommen wehrlos gegen den bis dahin in Griechenland völlig unbekannten Typ der emanzipierten intellektuellen Frau.
Ein paar Beispiele:
Um die zunächst noch mit Sokrates verbundene Aspasia ganz für sich zu gewinnnen, lässt sich Perikles, Athens glänzendster Staatsmann, scheiden. Er geht nur noch selten zu Versammlungen und unter die Menschen. Er will lieber in ihrer Nähe bleiben und isoliert sich damit politisch immer mehr, vor allem bei den Konservativen, die sich darüber ärgern, dass die sendungsbewußte Aspasia auch bei den bürgerlichen Frauen den Drang nach Bildung und Freiheit weckt und zu ihrem Nobelbordell nun auch noch eine Mädchen-Schule für Philosophie eröffnet. Sicher findet der Peleponnesische Krieg, der Athen und der Macht der Griechen den Niedergang bringen wird, nicht wegen Aspasia statt, sondern weil die Spartaner und andere griechische Städte die Bäume der Athener nicht in den Himmel wachsen lassen wollen. Aber ausgebrochen ist der Krieg durch einen Angriff Athens auf die Stadt Megara. Der Komödiendichter Aristophanes klatscht, Perikles habe sich an Megara rächen wollen, weil diese Stadt zwei Huren aus Aspasias Institut entführt habe.
Die Hetäre Thargelia, eine Mata Hari des Altertums, horcht Athens Staatsmänner aus und stockt ihre Liebenshonorare auf durch den Verrat dieser Erkenntnisse an den persischen König Kyros.
Lais von Korinth will dem Bildhauer Myron Modell stehen, aber als sie mit ihm spricht und sich entkleidet, kann er nicht mehr arbeiten und bietet ihr sein ganzes Vermögen für eine einzige Liebesnacht. Sie verweigert sich ihm. Dem großen Demagogen Demosthenes raubt sie mit einer Forderung von 10 000 Drachmen (den Gegenwert von 5000 Paar Schuhen) erst die Worte, dann freilich auch die Lust. Schöne Männer und den bettelarmen Denker Diogenes liebt Lais dagegen zum Nulltarif. Dennoch wird sie so reich, dass sie Tempel und öffentliche Bauten finanziert und verarmten Freunden wieder auf die Beine hilft. Sie stirbt arm, wird dann aber von ihren früheren Bewunderern mit einem prachtvollen Grabmal geehrt.
Phryne, die den Bildhauer Praxiteles zu der Idee inspiriert, erstmals nackte Frauenkörper aus dem Stein zu meißeln, wird in ihrem Salon Athens von wichtigsten Männer so reich beschenkt, dass sie ihrer Heimatstadt Theben anbieten kann, die Stadtmauer oder einen Teil der Mauer auf ihre Kosten renovieren zu lassen. Weil sie aber verlangt, dass dann ihr Name auf dem Bauwerk verewigt werde, lehnen die stolzen Thebaner ab.
Lamia baut als Mäzenin die zerstörte Bildergalerie der Stadt Sikyon wieder auf.
Themistone kann ihren Beruf noch als alte Frau ausüben, so sehr faszinieren ihr Charme, ihr Geist und ihr erotische Know-How die Männer.
Um der mitgereisten Edelhure Thais aus Athen, Geliebte des Alexander-Freundes und künftigen ägyptischen Königs Ptolemäus, zu imponieren, wird sich Alexander der Große als feuriger Rächer für die schon 150 Jahre zurückliegende Zerstörung von Thais’ Heimatstadt Athen durch König Xerxes produzieren. Er wird beim Gelage zur Feier der Eroberung von Persepolis den Palast des Xerxes, in jener Zeit das vermutlich prächtigste Gebäude der Welt, abfackeln lassen. Vielleicht ist es dieser Frevel, der den besiegten Orient daran hindern wird, ganz und gar die westlichen Prinzipien zu übernehmen. Bis zum Brand von Persepolis werden die Götter des Nahen Ostens Alexander als den einen göttlichen jungen Helden bewundern, danach aber erkennen sie ihn ihm den spätpubertierenden Hooligan.
Vor allem die Dichter und Philosophen des alten Hellas suchen Inspiration und Glück bei Hetären: Sophokles liebt noch als Greis die käuflichen Schönen Theoris und Archippe, Sokrates’ Schüler Platon die Archeanassa, Platons Schüler Aristoteles wird am Gängelband der Herpyllis gehen, Epikur empfängt von Leontion und Danae wichtige Impulse für seine Idee, dass sich der Mensch seine innere Ruhe besser abseits geschichtsträchtiger Öffentlichkeit holen solle.
Der Erfolg der Hetären Athens und die Art, wie große Männer sich für sie ruinieren (oder an ihnen wachsen), beweisen, dass Männer in ihrem tiefsten Kern sich nach einer klugen Gefährtin sehnen. Sie haben sich selbst eine verhängnisvolle Falle gebaut, als sie in Sorge um die Nachweisbarkeit ihrer Urheberschaft am Nachwuchs ihre Frauen hinter die Haustüren verbannten, ihnen Bildung und Lebenserfahrung vorenthielten und die Welt aufteilten in männliche und weibliche Domänen.
Aus:
Reinhold Dörrzopf, Eros Ehe Hosenteufel. Eine Kulturgeschichte der Geschlechterbeziehungen, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1995
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