21
Jul
2007

Die Problematik des Dreiergesetzes

Es gibt keinen Zweifel daran, daß das Dreiergesetz nicht zum traditionellen Wicca gehört. Vielmehr reflektiert es den Einfluß des Karma-Konzepts - was man tut, fällt auf einen zurück -, wie es im Westen seit den sechziger Jahren populär wurde. Es spiegelt außerdem ein altes magisches Prinzip von Ursache und Wirkung wider, das zu einem gewissen Grad östlichen Philosophien entlehnt wurde, aber auch verschiedene Modelle westlicher Philosophie und sogar wissenschaftlichen Denkens zum Ursprung hat: Unsere Taten haben Folgen. Doch die Tatsache, daß diese Philosophien auf den modernen Wiccakult übergreifen, ist nicht das eigentliche Problem. Ich halte das Dreiergesetz für eine untaugliche, ungenaue und unangebrachte Basis einer Wicca-Ethik. Es ist nicht der Grund - und sollte es auch nicht sein - weshalb Hexen keine manipulative oder schädliche Magie ausüben sollten. Ich möchte hier etwas vorschlagen, von dem ich glaube, daß es für unsere Weiterentwicklung und Reifung als spirituelle Bewegung von größter Wichtigkeit ist, und das Ihnen, wie ich hoffe, beim Ausüben Ihrer Magie von Wert sein wird.



Hexen brauchen keine Regeln, um ihre Hexenkunst auf ethische Weise auszuüben. Wir brauchen vielmehr etwas völlig anderes, etwas, das wir zwar bereits besitzen, das wir aber auf Grund unserer kulturbedingten Fixation auf Regeln im allgemeinen übersehen. Das Hauptproblem besteht darin, daß das Dreiergesetz prinzipiell eine Theorie der Bestrafung darstellt: Ich werde nicht über die Stränge schlagen, weil mir, sollte ich es doch tun, etwas (dreifach) widerfahren wird; folglich benehme ich mich gut, weil ich nicht möchte, daß mir Schlechtes zustößt.
Ich habe schon immer ein Problem mit Bestrafung als Grundlage der Ethik gehabt, weil sie gar kein ethisches Konzept ist - Bestrafung zu vermeiden ist lediglich eine Sache der Bequemlichkeit und des Eigeninteresses, nicht der Ethik. Sie ist eine schwache Kusine der Moral, weil ihr Verhalten ausschließlich auf Abschreckung basiert. Bestrafung macht uns selbst und unsere Magie nicht wirklich moralisch. Sie lehrt uns lediglich, uns von Furcht motivieren zu lassen, und wie wir gesehen haben, nichts Gutes. Zudem gebiert sie eine bestimmte Grundanschauung: Wenn ich gegen eine Regel stoßen kann, ohne dabei erwischt zu werden, warum nicht?
Dieses Denken stellt einen Abklatsch der Religion und der Kultur dar, in denen wir aufgewachsen sind. Es ist ein Überbleibsel patriarchalischer Religionsvorstellungen von Bestrafung, Verdammnis und Sündhaftigkeit. Es ist eine auf Angst beruhende Regel, die der Vorstellung entspringt, daß Gott nicht in der Welt anwesend ist. Sie entstammt nicht der Wicca-Kosmologie und ist einfach nicht gut für sie.


Aus:
Phyllis Currott,
Spirituelle Magie. Die hohe Kunst der Heiler und Hexen, Wilhelm Heyne Verlag München, 2005

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