18
Jul
2007

Die Göttin der Urgewässer

Die Vorstellung von einem dunklen, wäßrigen und formlosen Universum zieht sich durch viele Mythologien. In der Sprache der modernen Wissenschaft würde es heißen, daß sich die Erde ebenso wie die Sterne und die Planeten durch den Raum bewegen, in den ursprünglichen Kosmologien hingegen ist von einer in einem grenzenlosen Urwasser treibenden Welt die Rede. In einigen Schöpfungsmythen wird die Welt vom Willen des Wassers (der Göttin) ins Leben gerufen, in anderen durch einen Demiurgen, der seit ewiger Zeit darin existierte. Die Vorstellung von einem aus dem Wasser geborenen, schöpferischen Geistwesen spiegelt sich in der weitverbreiteten Praxis der Taufe wider, die die "Wiedergeburt" symbolisiert.




In den Details variiert die Schöpfungsgeschichte von Kultur zu Kultur. In Japan formten die Göttin Izanami und ihr Gemahl Izanagi das Land aus Urgewässern. In Arizona erzeugten zwei Meeres-Göttinnen der Hopi das Land, während in Nigeria Yemanja, die Göttin des Salz- und Süßwassers, die Sonne gebar, nachdem sie ihrem Bruder, der Erde, beigewohnt hatte.




Eine mächtige Schöpferin aus der prädynastischen Ära Ägyptens ist Neith (bzw. Net oder Nuanet), die Herrin des Meeres, die als das "Wasser von oben und das Wasser von unten" definiert wird und sowohl himmlische als auch irdische Gewässer verkörpert. Sie ist die Personifikation der Welt und all ihrer Geschöpfe. Neith wurde einst als die mächtige Schleiergöttin Sais angerufen und von Plutarch so beschrieben:
Ich bin all das, was war, ist und sein wird, meinen Schleier hat bis jetzt noch kein sterblicher gelüftet.




Als sich die Mythen entwickelten und - vielleicht politisch motiviert (siehe S. 22-23) - neu geschrieben wurden, sind die Urwassergöttinnen, die die Welt enthielten oder aus sich selbst erzeugten, zunehmend durch Männer ersetzt worden, die ein Universum außerhalb ihrer selbst erschufen. Im akkadischen Enuma Elish, einer um etwa 1750 v. Chr. geschriebenen politischen Parabel, zeugten Tiamat, die Göttin des Salzwassers, und ihr Gefährte, der Süßwassergott Apsu, Götter, die bei Tiamat blieben. Beim Kampf um die Vorherrschaft beschloß Apsu, Tiamat zu töten. Ihre Kinder erfuhren jedoch von dem Plan, und Ea, "die irdische Weisheit", tötete Apsu und nahm seine Stelle ein. Um ihren Gemahl zu rächen, "gebar Tiamat eine neue Brut schnaubender Drachen". Doch Eas Sohn Marduk schoß ihr in den Leib und und schlitzte ihren Schoß auf, so daß er aus ihrem zerstückelten Körper die von ihr bereits erschaffene Welt neu kreieren konnte.



Aus:
Sharukh Husain, Die Göttin. Das Matriarchat, Mythen und Archetypen, Schöpfung, Fruchbarkeit und Überfluß, Taschen GmbH 2001



Keywords:
Ägypten, Apsu, Drachen, Ea, Enuma Elish, Izanami, Izanagi, Hopi, Marduk, Neith, Net, Nigeria, Nuanet, Plutarch, Yemanja, Sais, Salzwasser, Schleiergöttin, Süßwasser, Tiamat

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