26
Mai
2006

E.M.M.A. - Es Macht Mich An

Erfahrungen von Frauen mit Pornographie und Zensur, Cherie Matrix (Hg.), vbz Verlag Bernd Zeun, Gießen 1998

Bestellt bei:

Lustwandel
Die erotische Buchhandlung für erotische Literatur & Kunst in Berlin


Vorwort

Stellen Sie sich vor, ihr ganzes Leben über gesagt zu bekommen, was richtig und was falsch ist - und zu wissen, dass es unwahr ist. Das erfordert nicht viel Vorstellungsvermögen, nicht wahr? Es ist eine Erfahrung, die wir alle machen. Aber bis in die späten 1960er wurde von Frauen erwartet, widerspruchslos darauf zu hören, was Männer uns darüber erzählten, was alle Frauen fühlten. Waren wir anderer Meinung, war mit uns sowieso etwas nicht in Ordnung. Unter den Frauen gab es deshalb das Bewußtsein schärfende Gruppen, um über das zu sprechen, was wir wirklich empfanden. Und heute versuchen Frauen, die sich Feministinnen nennen, uns zu erzählen, dass wir alle Pornographie hassen, dass keine Frau derartiges mag und dass alle Frauen sie `aus den Regalen verbannt sehen möchten.'



Feminists Against Censorship (FAC) - Übers.: Feministinnen gegen Zensur - gründeten sich im April 1989 als Reaktion auf die Frauen, die mit diesem Klischee den Anspruch erhoben, uns zu vertreten. Wir haben uns ausgiebig sowohl mündlich wie schriftlich zu den Ausführungen gegen Pornographie geäußert, zu den Theorien der Forschung, zur Bereitwilligkeit, dem Staat bei seinen Entscheidungen, was wir sehen oder sagen dürfen, zu vertrauen und zu den Verdrehungen, mit denen dieser Anspruch angeblich gestützt werden sollte. In diesem Buch, unserem fünften, haben wir es vorgezogen, über unsere eigenen Erfahrungen mit Pornographie zu sprechen. So seltsam es scheinen mag, unschätzbar wenig wurde vom Mainstream-Feminismus aus dieser Perspektive veröffentlicht, besonders in Großbritannien.



Die politischen Feldzüge von Anti-Porno-Feministinnen haben es Frauen schwerer gemacht, ihr eigenes sexuelles Material zu produzieren. Sie schaffen der Polizei den Vorwand für Razzien in jedem beliebigen Laden oder für die Beschlagnahme jeder Publikation, die nicht nach konventioneller Mainstream-Pornographie - den Sachen für die `oberste Regaletage' - aussieht. Das kann britischen Käuferinnen legal nur die Wahl der fantasielosen, pornographischen (und manchmal sexistischen) Medien lassen, wie sie gewöhnlich von Männern für Männer produziert werden. Abbildungen von Geschlechtsverkehr, Erektionen, Genitalkontakte und alles was fantasievoll und einvernehmlich ist ist chancenlos, wenn wir auf wenig mehr als Pin-ups und geistlosen Striptease reduziert werden.
Einige der Feministinnen in diesem Buch genießen allerdings diese stereotype, männlich-heterosexuelle Pornographie. Frauen haben jedoch unterschiedlichen Geschmack und es gibt nicht genügend Produkte auf dem Markt, unser feminines Verlangen zu stillen. Und aus welchem Grund nur ist der erigierte Penis in Großbritannien ein Tabu? (Übers.: Diese Frage stellt sich auch in Deutschland)



Es mag merkwürdig sein, viele gegen Pornographie eingestellte Frauen im Vereinigten Königreich realisieren nicht, dass es an Gesetz und Polizei liegt, was die britische Pornographie so einseitig macht und nicht an etwas, das der Pornographie oder sogar dem Geschmack der Männer eigen ist. Sie sagen, sie `mögen keine Pornographie', weil es daran nichts zu mögen gebe - aber alles, was wahrscheinlich Frauen ansprechen könnte, würde wahrscheinlich die Polizei zu Beschlagnahmeaktionen verleiten oder die größeren Vertriebe zur Abnahmeverweigerung. Frauen und sexuelle Minderheiten, die eine unabhängige Produktion versuchen, sind die ersten wirklichen Opfer der Anti-Pornographie Kampagnen. Und wie Arabella Melville im Buch zeigt, den Herstellern der Mainstream-Männermagazine ist es recht so - man könnte sagen, die Kampagne gegen Pornographie dient ihrem Geschäft.



Die hauptsächliche Kritik dieses Buches an Pornographie ist, dass es dabei größtenteils um Sex nach männlichen Vorstellungen geht. Bis vor kurzem zielte alle Pornographie auf Männer ab und selbst heute noch trifft das für viele Pornos zu. Mainstream-Pornographie schließt wirklich alle aus, die nicht das Klischee einladender Jugendlichkeit erfüllen. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass das durchaus für die meisten Medien zutrifft. Auf Männer abzielende Softcore Pornographie spielt die sichere Karte, indem sie keine Erektionen oder tatsächlichen Verkehr zeigt, um weiter veröffentlicht, verbreitet und verkauft werden zu können.
Hardcore - das heißt explizites Material - ist illegal in der britischen Pornoindustrie. In Hardcore Pornos gibt es eine Vielfalt körperlicher Typen; und da sie in der Regel Menschen miteinander zeigt, stellt sie heraus, dass Frauen stark sein und die Kontrolle ausüben können und nicht nur passive, blauäugige Blondinen. Eine unserer Verfasserinnen, Jan Durbin aus San Francisco, hat sich die Realität der Hardcore Pornographie aus der Nähe, unter feministischer Perspektive, angesehen. Insbesondere ihre Erfahrung mag jenen erhellend sein, die Angst haben vor weniger Restriktion expliziter sexueller Darstellungen.



Einige Feministinnen in diesem Buch genießen Fantasien und Abbildungen von Dominanz und Unterwerfung. Diese Fantasien werden von vielen anderen Feministinnen abgelehnt. Sowohl lesbische als auch Dominanz/Unterwerfungs-Pornographie sind stark zensiert und Verleger haben Schwierigkeiten mit dem Vertrieb. Jedoch brauchen wir alle das Gespräch über unsere Fantasien, damit es uns hilft, die ausgedehnten Möglichkeiten weiblichen Begehrens zu verstehen. Pornographie hat einigen Feministinnen in diesem Buch geholfen, sich als sexuelle Wesen zu definieren. Abbildungen aller möglichen Frauentypen in Ausübung aller möglichen Arten von Sex hilft, die Geheimnisse, von denen weibliche Sexualität umgeben ist, aufzuklären.



Feministinnen kritisieren an der Pornographie nicht nur den unausgewogenen Zuschnitt auf Männer, sie fordern auch eine stärkere Position bei der Herstellung sexuellen Materials. Wegen des Mangels an Pornographie für Frauen mussten sich viele von uns anderen Medien zu unserer Stimulierung zuwenden: Anregenden Collagen aus dem, was an sexuellem und manchmal nichtsexuellem Material uns zugänglich ist. Feministinnen möchten ihre Fantasien auf der Leinwand sehen, und in weit verbreiteten Magazinen lesen, was sie begehren. Der größte Teil der Aufsätze dieses Buches stammt von Frauen, die weder jemals in der Sexindustrie gearbeitet, noch etwas damit zu tun gehabt haben, abgesehen von ihrer strikten Einstellung gegen Zensur. Einige Feministinnen in diesem Buch haben jedoch ihre eigenen Firmen gegründet, um feministische Pornographie zu produzieren und/oder zu vertreiben. Andere liefern Geschichten und arbeiten als Model für stimulierendes Material verschiedener Art.


Wir möchten so oft wie möglich betonen, wie wichtig es ist, die Ansichten von Frauen, die enger mit der Sexindustrie zu tun haben - solche wie Linzi Drew - zu veröffentlichen, genau wie die von denjenigen, die Pornographie genießen, da deren Stimmen von der Anti-Porno-Bewegung unterdrückt werden und ihnen von Leuten der Mainstream Medien wenig Glauben geschenkt wird. Anti-Porno Frauen wischen einfach das Zeugnis derer, die nicht ihrer Meinung sind beiseite - wenn du nicht darüber sprichst, wie schrecklich Pornographie ist, wollen sie es nicht hören (und bezichtigen dich womöglich gar der Lüge). Aber wie die Medien damit umgehen, ist nicht viel besser - Frauen aus diesem Gewerbe, egal wie intelligent und artikuliert, werden bestenfalls als naiv dargestellt - als lächerlich. Als Feministinnen denken wir, diese Frauen sollten für sich selbst sprechen dürfen.


In einer sexistischen Gesellschaft enthalten viele der Medien, einschließlich der Pornographie, zwangsläufig Sexistisches. In diesem Buch jedoch haben Frauen aus der ganzen Welt, aus den verschiedensten Lebensumständen, etwas Positives über sexuelle Vorstellungen zu sagen.
Pornografie ist eine der Möglichkeiten, mit der die Frauen dieses Buches ihre Sexualität erkunden und entwickeln möchten. Viele der Aufsätze befassen sich ausgiebig damit, wie Pornographie Frauen geholfen hat, sich als sexuelle Wesen zu sehen, nicht als Opfer, und ihnen die Kraft gegeben hat, über ihre Wünsche zu sprechen. Andere Autorinnen erzählen, wie sie als Heranwachsende ihr Verstehen von Geschlechtlichkeit aus Softcore-Magazinen bekamen. FAC bedauert, dass wir alle keine größere Auswahl an Material zum Erwerb unserer sexuellen Wissens zur Verfügung hatten, und wir möchten keineswegs, dass unseren Kindern, die jetzt heranwachsen, noch weniger zur Verfügung steht.
Besonders Frauen brauchen mehr sexuelles Bildmaterial, nicht mehr Repression. Nur durch das Fehlen von Schuldbewusstsein, das wir als Frauen unserem Körper gegenüber empfinden, können wir vor uns selbst begehrenswert werden, nicht indem wir uns unserer Sinnlichkeit wegen als `Schlampen' oder `Abschaum' sehen.
Und erinnern wir uns, dass es bei der Befreiung der Frau um das Eröffnen von Möglichkeiten geht. Pornographie stellt eine dieser Möglichkeiten dar - wir sollten uns nicht daran beteiligen, sie zu unterbinden.



Keywords:
Feminists Against Censorship (FAC), Feministinnen gegen Zensur, Feministin, Feminismus, Gender, Gendercoaching, Gender coaching, Gender-coaching, Internet, Medien, Porno, Pornografie, Pornoindustrie, Pornographie, Sex, Sexindustrie, Sexualität, Zensur


Feministinnen gegen Zensur: "This is Hardcore"
FEMINISTS AGAINST CENSORSHIP WEB SITE

Trackback URL:
https://lilithsloge.twoday.net/stories/2071598/modTrackback

logo

Lilith L. - Gallery

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Der Speicherplatz...
Der Speicherplatz ist voll. Es geht weiter im ISLA-Blog.
Liliths Loge - 5. Nov, 13:27
Masks of the Goddess
Nicht erreichbar von hier aus sind die Startseiten...
Liliths Loge - 4. Nov, 02:58
Kollektive Gedanken über...
Es freut mich zu sehen, dass auch das Haus Burda und...
Liliths Loge - 4. Nov, 02:56
Stromversorgung, Blitzlicht...
Komisch. Irgendwie erinnere ich mich gerade an einen...
Liliths Loge - 4. Nov, 02:55
Tagebuch keiner Kriegsnutte
ISLA-Blog: Ich werde im Rahmen des ISLA-Projekts...
Liliths Loge - 4. Nov, 02:47

Status

Online seit 6979 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 5. Nov, 13:27

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren